Erste Schritte in der Spezialaufklärung
© NVA-Interessengemeinschaft Halle/Saale
NVA-Interessengemeinschaft Halle/Saale
Folge 41
Am 1.März 2016 begehen wir den 60. Jahrestag der Gründung der Nationalen Volksarmee. In Vorbereitung dieses
Höhepunktes wollen wir an dieser Stelle in loser Folge über die Entwicklung der NVA von ihren Anfängen als kasernierte
Volkspolizei hin zu einer gut ausgerüsteten, hervorragend ausgebildeten und stets gefechtsbereiten Koaltionsarmee
berichten. Dabei werden insbesondere Zeitzeugen und verdienstvolle Armeeangehörige mit eigenen Erlebnissen, Eindrücken
und Geschichten zu Wort kommen, deren politisches und militärisches Leben eng mit unserer 11. MSD verbunden war.
Oberstleutnant a.D. Manfred Kamprad
Die Trefferwahrscheinlichkeit und die Trefferwirkung waren zu gering, der Einsatz von Scharfschützten gegen Raketen wurde zurückgestellt,
-es wurde den Zugführern die Methodik gelehrt : Aussuchen und Beziehen einer gedeckten Basis im Gelände, von dort gedeckte Aufklärung in Trupps von 3 bis
6 Mann (bei Tag und Nacht über mindestens 24Std.), auch über große Entfernung, feldmäßige Ruhe, Eigenverpflegung aus mitgeführten Beständen, Anfertigen
von entsprechenden Aufklärungsdokumenten und Meldung der Aufklärungsergebnisse per Melder bzw. Funk (sowjet. Spezialfunkgeräte mit Schnellgeber-
wurden nur in der Offiziersausbildung vorgeführt –hoher Geheimhaltungsgrad!),Topographische Karten wurden notwendigerweise zur Koordinatenbestimmung
der Aufklärungsobjekte im “Hinterland“ wieder für die Aufklärungstrupps zugelassen und ausgegeben (Problem: Karte mit Aufzeichnung darauf wurden als VVS
eingestuft),
- die Dienstplanung als Komplexausbildung auch über 24Std. in Tag- und Nachtzeit, die Ausbildungsorte, die Ausrüstung und alle Fragen der Versorgung und
des Transportes waren durch die Zugführer (Ausbildungsdurchführende mit genauer Kenntnis der Leistungsfähigkeit der Soldaten) zu erarbeiten und wurden
durch die Kompaniechefs koordiniert und bestätigt,
-die Ausrüstung wurde teilweise ergänzt und verbessert so ua. Einführung von Ski-Schuhen, Tarnbekleidung/Umhänge weiß/schneetarn- siehe Foto-, wärmere
Unterbekleidung, Kleinküche 10Ltr. zum Essenkochen- siehe Foto-, dazu Fertiggerichte (gefriergetrocknete Speisen), Ferngläser 10x50, Material für
Transportschlitten (Winterausbildung). Von uns geforderte Schlafsäcke konnten nicht beschafft werden (maximal eine Decke zusätzlich im Winterlager waren
verfügbar).
-unser Techn.Offizier., Oltn. Wolfgang J., baute mit Unterstützung des Karosseriewerkes Halle eine Nachbildung der Rakete Honest John (aus Stahlblech,
original in Größe und Farbe, mit Imitation der Starschiene auf LKW) als Darstellungsobjekt für unsere Aufklärer. Dieses Gerät war nur sehr kurz im Einsatz:
wachsame Bürger fragten bei der „Freiheit“ (Bez.-Organ SED Halle) an, welche Atomraketen die NVA da besitze. Es erfolgte das sofortiges Verbot (durch BL
der SED, Ltr.Aufkl. MB-III) dieses Raketen-Imitat in der Öffentlichkeit zu zeigen, nach kurzem Einsatz auf dem Standortübungsplatz „Franzigmark“:
Verschrottung der Honest-John-Attrappe. Für diese nicht vorher genehmigte „Initiative gefechtsnahe Gegner-
Darstellung“ gab es zum Glück keine Bestrafung, aber auch kein Lob. Für das Training unserer Aufklärungstrupps, sich
unentdeckt im „Hinterland“ zu bewegen ,wählten wir Zugführern des AB-11 ua. die vielbegangene „Heide“ und die
„Rabeninsel“ als Übungsgelände aus. Es war hier nicht einfach, sich ohne von den Spaziergängern, ihren Kindern und
den von uns eingesetzten Beobachtern ( ein Teil der Sold. wurden als „Gegner“ eingesetzt) wirklich „unbemerkt“ zum
vorgegebenen „Beobachtungspunkt“ (Straßenabschnitte auf denen in registrierten Zeitabständen unser SPW,zeitweilig
auch unsere Honest-John-Attrappe, als Aufklärungsobjekte vorbeifuhren) vorzuarbeiten. Problematisch war für uns
(besonders nachts) Hundegebell, damit Aufmerksamkeit auf unser Handeln, in Siedlungsgebieten (unmittelbares
Umland der Heide). Wir mussten diese Gebiete meiden. Das ist der eingangs vermerkte Zusammenhang Heide-
Hinterland des Gegners. Im Winterlager ( Carlsfeld/Westerzgebirge-absolut schneesicher) waren die Aufgaben: stets die
eigene Spur im Gelände verwischen und feldmäßige Übernachtung im Zeltbahnzelt (je 4 Mann eng nebeneinander pro
Zelt auf Reisig-Polster, mit Schutzumhang bedeckt), Essenkochen ohne enttarnende Rauchbildung in der „Basis“
schwierige Aufgaben. Auch lange Märsche auf Skiern (viele Soldaten hatten noch nie auf Ski gestanden) waren harte Belastungen.
Insgesamt waren diese „Spezialaufklärung“ ein erster Versuch, uns für die Aufklärung im gegnerischen Hinterland zu befähigen. Diese komplexe Ausbildung
war interessant, wurde von allen Armeeangehörigen mit größten persönlichen Einsatz betrieben. Es zeigt sich aber eindeutig: für diese Aufgabe braucht man
eine vielseitige, lange spezielle Ausbildung, ausgesuchte Leute (Freiwillige), andere Bekleidung und Ausrüstung und vor allem auch Transportmittel um
überhaupt ins generische Hinterland zu kommen (und wieder raus !).Die in späteren Jahren gebildeten nichtstrukturmäßigen Aufklärungstrupps des AB-11
entsprachen diesen Forderungen schon besser.
Oberstleutnant a.D. Manfred Kamprad (damals Ltn./Zugführer im AB-11)
Unser Autor, hier beim
4. Traditionstreffen 2015