Ich erinnere mich sehr gut an ein Ereignis, welches sehr deutlich machte, wie wichtig gerade in schwierigen Situationen
politische Arbeit und ihre praktische Umsetzung war. Am 22.August 1968 verlegten die Truppenteile und Einheiten der 11.MSD
in einem Nachtmarsch aus den Ausgangsräumen EISENBERG-OELAMÜNDE-WEIDA in die westerzgebirgischen/vogtländischen
Räume LENGEFELDT- EIBENSTOCK-ADORF, nahe der Grenze zur CSSR und wurde der 1.Gardearmee einer sowjetischen Front
unterstellt. Diese Nacht-märsche fanden unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Viele Körbe mit belegten Brötchen
und Schnitten(Stullen) wurden auf die Gefechtsfahrzeuge der Soldaten geworfen. In den wenigen und kurzen Marschpausen
Trockene Füße für unsere Soldaten
© NVA-Interessengemeinschaft Halle/Saale
NVA-Interessengemeinschaft Halle/Saale
Folge 11
Am 1.März 2016 begehen wir den 60. Jahrestag der Gründung der Nationalen Volksarmee. In Vorbereitung dieses
Höhepunktes wollen wir an dieser Stelle in loser Folge über die Entwicklung der NVA von ihren Anfängen als kasernierte
Volkspolizei hin zu einer gut ausgerüsteten, hervorragend ausgebildeten und stets gefechtsbereiten Koaltionsarmee
berichten. Dabei werden insbesondere Zeitzeugen und verdienstvolle Armeeangehörige mit eigenen Erlebnissen, Eindrücken
und Geschichten zu Wort kommen, deren politisches und militärisches Leben eng mit unserer 11. MSD verbunden war.
wurde manche Tasse Tee oder Kaffee verabreicht. Mit Erreichen der o.g. Räume stand für die TT/E (auch für das MSR-16, in dem ich damals als Hauptmann
diente), die Aufgabe, zu weiteren taktischen Handlungen, im Rahmen dieser sowjetischen Front, auf CSSR-Territorium bereit zu sein. Dazu kam es aber nicht. Ein
Befehl des Nationalen Verteidigungsrates der DDR stoppte die TT/E der 11.MSD und hielt sie in den bezogenen Räumen auf DDR-Territorium fest. Hier verblieben
sie auch bis zur Rückverlegung in die Standorte ab 15.Oktober. Die Soldaten bauten Zelte und Erdbunker in die Waldböden der riesigen Wälder des Erzgebirges
bzw. des Vogtlandes und richteten sich mit Zeltplanen und Decken „häuslich“ ein. Bald kehrte der militärische Alltag in Form der Gefechtsausbildung zurück. In
Bilder vom Beziehen der Ausgangsräume
Stiefelübergabe durch Horst Sindermann
der zweiten September-hälfte setzte eine ungewöhnlich lange Regenperiode ein. Die Waldböden waren mit Moos,
Heidekraut „Erika“ und Heidelbeer-kraut bewachsen. Hier hielt sich das Regenwasser besonders gut. Die Auswirkungen
ließen nicht lange auf sich warten. Unsere Stiefel waren bald so durchgeweicht, dass an ein Trocknen nicht mehr zu
denken war. Viele Stiefel lösten sich bei diesem anhaltenden Regen in ihre Bestandteile auf. Auch ein zweites Paar
ausgegebener Stiefel hielt der Nässe nicht mehr stand. Schuhmacher des Territoriums erklärten ihre Bereitschaft, die
Soldatenstiefel, wo es möglich war, instand zu setzen. Viele Soldaten hatten sich Husten, Schnupfen und Angina
zugezogen. Oft übertönte nachts der Husten vieler Soldaten das Brunftröhren der Hirsche. Unser medizinisches Personal
hatte alle Hände voll zu tun, diesen Erkältungen Einhalt zu gebieten. Die Wetterprognosen sagten aber immer weiteren
Regen voraus. Die Bevölkerung der Umgebung brachte den Soldaten unseres MSR-16, alte ausgediente, eiserne Öfen, die
in den Zelten und Bunkern aufgestellt wurden. Diese halfen die Uniformen und die Stiefel etwas zu trockenen und
spendeten eine angenehme Wärme. Da kam Hilfe aus ganz anderer Richtung. Am 07.Oktober, dem 19. Jahrestag der DDR
überbrachte der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Halle, Horst Sindermann, uns, den Soldaten der 11.MSD, Grüße und
Glückwünsche der Bevölkerung des Bezirkes HALLE und übergab auf einem Meeting im MSR-17, mehr als 10 00 Paar
Gummistiefel für die Angehörigen der 11.MSD. Diese wurden am gleichen Tag auf die Truppenteile und Einheiten aufgeteilt
und als offizielle „Dienstkleidung“ befohlen. Diese Geschenke wurden von allen Angehörigen unserer Division dankbar
und mit Freude angenommen. Die Erkältungen gingen merklich zurück und von dem lauten Husten, das nachts durch die
Wälder erklang, war bald nichts mehr zu hören. Die Soldaten konnten „ihre“ Gummistiefel nach Beendigung ihrer aktiven
Dienstzeit mit nach Hause nehmen. Immer wenn ich meine Gummistiefel betrachte, fällt mir dieses Erlebnis ein.
Siegfried Kunze
Oberstleutnant a.D.
Dankesworte durch einen
Armeeangehörigen,
links im Bild Oberst Kinzel
Unser Autor beim
2.Traditionstreffen 2014