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Der Marschall ist weg! Aufregung beim Manöver Waffenbrüderschaft 70
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Folge 38
Am 1.März 2016 begehen wir den 60. Jahrestag der Gründung der Nationalen Volksarmee.  In Vorbereitung dieses  Höhepunktes wollen wir an dieser Stelle in loser Folge über die Entwicklung der NVA von ihren Anfängen als kasernierte  Volkspolizei hin zu einer gut ausgerüsteten, hervorragend ausgebildeten und stets gefechtsbereiten Koaltionsarmee  berichten. Dabei werden insbesondere Zeitzeugen und verdienstvolle Armeeangehörige mit eigenen Erlebnissen, Eindrücken  und Geschichten zu Wort kommen, deren politisches und militärisches Leben eng mit unserer 11. MSD verbunden war. 
Ein Blick auf den Kalender zeigt uns, daß in wenigen Tagen der 7.Nov. ist, heutzutage ein Tag wie jeder andere. In der Zeit vom 12. bis 18.  Oktober 1970 fand in der DDR das bis dahin größte Manöver  aller 7 Armeen der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages unter der  Bezeichnung „Waffenbrüderschaft 70“ unter Leitung des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR statt. Mehr als 71.000  Armeeangehörige, davon 41.000 der NVA, mit insgesamt 850 Panzer, 1.150 SPW, über 450 Geschütze Artillerie und Granatwerfer, 245  Flugzeuge und Hubschrauber, sowie 140 Schiffe und Boote der Vereinigten Ostseeflotten, zeigten dann zu Beginn die Stäbe bei der Operativ- taktischen Kommandostabsübung und danach die Truppen bei den realen Handlungen auf den Truppenübungsplätzen und in der Ostsee ihr  militärisches Können. Die Vorbereitung dieses einmaligen Manövers begann bereits Anfang des Jahres 1970 im Ministerium für Nationale  Verteidigung in Strausberg im Bereich Operativ mit der Erarbeitung der operativen Idee und der notwendigen Unterlagen für die Übung. Dazu wurde ich Anfang Februar 1970 ins Ministerium zur Mitarbeit an der Übung kommandiert. Es war zu Beginn eine kleine Gruppe von 5 Mann  unter Leitung von Oberst Martin Förster, so dass ich faktisch von Anbeginn mit der Ausarbeitung der Operativ-taktischen Idee bis zum Ende,  
Generalmajor a.D. Sebald Daum
der Feldparade in Magdeburg, an diesem Manöver im Leitungsstab mit beteiligt war. Es war eine harte Zeit,  mit vielen kurzen Nächten, aber es war für mich im Nachhinein ein großes Erlebnis mit vielen schönen  Erinnerungen.Nie wieder bekam ich die Gelegenheit die höchsten politischen und militärischen  Führungspersönlich-keiten des Warschauer Vertrages aus nächster Nähe zu erleben, die wichtigsten realen  Handlungen der Vereinten Truppen auf den Übungsplätzen mir anzuschauen. Es waren viele Erlebnisse und  Episoden in dieser Zeit, die mir heute noch ständig in Erinnerung sind. Eine solche war für mich die  persönliche Begegnung mit dem Oberkommandierenden des Warschauer Vertrages, Marschall der  Sowjetunion Iwan I. Jakubowski und seinem Stellvertreter und Chef des Stabes Armeegeneral Sergei  M.Schtemenko. Der Leitungsstab des Manövers befand sich mit Beginn des Manövers in der Kaserne des  PR-15 in Cottbus, als ich Abends zu Generalmajor Streletz befohlen wurde. In kurzen Worten erhielt ich die  Aufgabe am 2.Tag des Manövers den Oberkommandierenden und seine Begleitung von Gästehaus der  Grenztruppen in Groß Köris an der Autobahn A 13 gelegen, um 06.00 Uhr abzuholen und diese  Fahrzeugkolonne auf den Truppenübungsplatz (TÜP) Königsbrück hin zu führen. Gegen 09.00 Uhr sollte der  Marschall auf den TÜP sein, aber nicht vor unserem Minister. Naja, die Aufgabe war klar, alles wurde im  Kollektiv vorbereitet und ich war früh um 05.30 im Gästehaus. Kurze Zeit später erschien auch der  Ehrenbegleiter des Marschalls, der Stellvertreter des Ministers Generalleutnant Werner Fleißner, dem ich  mich vorstellte. Kurz vor 06.00 Uhr erschien Marschall Jakubowski und Armeegeneral Schtemenko im Hof  des Gästehauses. Ich meldete mich bei ihm, beide gegrüßten mich und der Marschall erkundigte sich kurz  über unsere Fahrt.. Ehe es los ging, sagte mir der begleitende sowjetische General, dass wir doch  unterwegs eine kleine Pause einlegen möchten für einen kurzen Morgenspaziergang des Marschalls,  möglichst in einem Birkenwäldchen. Ich überlegte, wo wohl solch eine Möglichkeit bestände und sagte mir  dann, dass kann nur nach der Abfahrt von der Autobahn sein und es wird sich finden. Das musste ich also in  meinen Zeitplan mit „verarbeiten“. Die Fahrt verlief normal bis zur Abfahrt von der Autobahn Großenhain-  Königsbrück. In der damals vorhandenen großen Kurve, war plötzlich die Wagenkolonne des Marschalls  weg. Ich rief: „Der Marschall ist weg, sofort halt“. Mein Fahrer fuhr rückwärts zurück, die Reguliere kehrten  um und da standen die 4 Fahrzeuge direkt in der Kurve. Ich begab mich zur Wagenkolonne und tatsächlich,  es gab hier ein kleines Waldstück mit Birken und in dem schönsten morgentlichen Sonnenschein  
marschierten der große Marschall mit den kleineren Armeegeneral, ins Gespräche vertieft, gemütlich auf und ab. Nachdem ich die Kolonne durch die Regulierer gesichert hatte, war ich wieder  ruhiger, aber auch verärgert. Ich hatte das Waldstückchen nicht erkannt. Nun machte ich mir Sorgen um den Zeitplan, weil der Spaziergang für meine Begriffe schon sehr lange war. Naja, ich traute  mich nicht dorthin zu gehen, um den Spaziergang und deren Gespräche zu unterbrechen und General Fleißner erfüllte mir meine Bitte auch nicht. Aber der Marschall spürte scheinbar meine  Ungeduld und es ging dann auch nach ca. 15 – 20 Minuten weiter. Ich konnte mich nun wieder auf die Fahrstrecke und den Zeitplan konzentrieren. Die zweite Überraschung erlebte ich dann kurz  vor der Einfahrt zum Gästelager auf den TÜP Königsbrück. Ich wusste, dass dort in dem Waldgebiet vor dem Übungsplatz, zwei Garde Panzer Regimenter der 11. Garde Panzer Division der  Sowjetischen Streitkräfte stationiert waren, kannte auch russische Sitten und Gebräuche, aber erwartete nicht, dass diese mir hier eine 2. Überraschung bringen. Plötzlich war wieder die  Wagenkolonne des Marschalls stehen geblieben. Der Divisionskommandeur ließ sich natürlich die Gelegenheit nicht nehmen, den hohen Gast auf seinem Territorium mit Wasser, Brot, Salz und  Ehrenjungfrauen auf russische Art zu begrüßen. Diesmal war es nun nicht mehr so schlimm, mein Zeitplan gab es noch her  und unser Minister war auch schon vor uns durchgefahren, sodass es  keine Probleme gab. Pünktlich kamen wir auf dem befohlenen Platz an und unser Minister konnte seine Gäste begrüßen. Für mich war damit die Aufgabe erfüllt, nur leider gab es bei der Sache  keine Fotografen.