„Heißer“ Sommer 1968 - Krise in der CSSR.Ein Zeitzeugenbericht von Oberst a.D. Dipl.-Ing. Joachim Kampe, geschrieben, 45 Jahre später für die NVA- Interessengemeinschaft Halle/SaaleDie Lage in der CSSR ist angespannt, das Land befindet sich in einer ernsten politischen und wirtschaftlichen Krise. Das Land bewegt sich in seiner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung abweichend von der „Generallinie“ der Kommunistischen Partei der UdSSR. Den staatlichen Medien ist das zu entnehmen. Im Zusammenhang Meldungen über größere Manöver der Sowjetarmee in den westlichen Gebieten der UdSSR. Besteht ein Zusammenhang ?. Als Kompaniechef der Draht- und Richtfunkkompanie im Nachrichtenbataillon 11 der 11. Motorisierten Schützendivision der NVA mit dem Stab in Halle/S habe ich mich kurzfristig Ende Juni beim Leiter Nachrichten des Stabes zu melden. Eine kurze Einleitung zur politischen Situation in der CSSR mit Hinweis auf das Manöver „Sumava“ der UdSSR- Streitkräfte mit Ausdehnung auf die CSSR und Polen. Eine Ausdehnung auf das Gebiet der DDR ist nicht ausgeschlossen. Ein Nachrichtenkommando hat kurzfristig einen Raum in der Nähe des Hermsdorfer Autobahnkreuzes zu beziehen und zu entfalten. Das Kommando stehe unter meinem Befehl. Die Aufgabe, Entfaltung einer Nachrichtenzentrale und Aufnahme von Verbindungen zum Militärbezirk Leipzig und zur Objektnachrichtenzentrale des Stabes der Division. Entsprechende Leitungsschaltungen sind bei Deutschen Post angewiesen. Der Einsatz kann länger dauern. Ich war nicht nur überrascht, auch einer der ersten Nachrichtenoffiziere, die eingeweiht waren und sich über die Konsequenzen Gedanken machen konnten. Der Abschied von der Familie war beklemmend. Die Frage nach dem Zeitpunkt einer Rückkehr vermochte ich nicht zu beantworten. Die Lage in der CSSR spitzte sich weiter zu, ließ nicht Gutes erwarten. Die Ausdehnung des Manövers nahm konkretere Formen an, neue kamen hinzu, der Vereinten Ostseeflotten und der Rückwärtigen Dienste mit der Tarnbezeichnung „Neman“. Von einer Dauer bis zum 10.August 1968 war die Rede. In der zweiten Julihälfte verlegte der Stab, der Division, alle Stabseinheiten und Truppenteile. Die Nachrichtenzentrale für den Stab hatten wir vorbereitet, unsere relative Ruhe war nun vorbei. Das organisierte Dienstregime gewährleistete die Arbeit der
Divisionsübung der 11.MSD 1959/ am Kotflügel eines K-30 (Privatarchiv)
Nachrichtenzentrale, ihre militärische Sicherung sowie die politische und militärische Ausbildung unter Feldbedingungen. In politischen Gesprächen und Parteiveranstaltungen standen mehr und mehr die Bündnispflichten der NVA gegenüber den anderen Armeen der Koalition im Mittelpunkt. Am 20.August, überraschend die Verlegung vom Hermsdorfer Kreuz mit einem Vorkommando an Nachrichtenkräften und Mitteln. Wieder war ich dabei. Noch während des Marsches, Mitternacht war bereits überschritten, hörten wir vom Einmarsch sowjetischer Truppen in die CSSR. Damit waren Spekulationen zur Wahrheit geworden und mögliche Handlungen der Division wurden zu Gedankenspielen. So freundlich wie man uns während des Manövers „Moldau“ im Jahre 1966 in der CSSR empfangen hatte, würde wohl ein erneuter Empfang nicht ausfallen.