Als Leutnant an der WinterfrontErinnerungen an den Einsatz in der “Kohle” von Major der NVA, Thomas EngelhardtNachdem ich 1977 zum Einsatz an der Erntefront (Kartoffelernte im Kreis Belzig) und 1978 an der Baufront (Schießplatz Sondershausen) kam, war esimmerhin innerhalb von 18 Monaten mein dritter Volkswirtschaftseinsatz, diesmal an der “Kohlenfront”. Der kritischste Einsatz, schließlich ging es diesmalum die Sicherung der Braunkohlenversorgung und damit der Energieversorgung des südlichen Teils der DDR.Zugegeben, als ich in der Silvesternacht in die Kompanie gerufen werde, war mir wie allen anderen diese Dimension nicht klar, schließlich hatte es geradeerst begonnen, “Winterwetter” zu werden. Der Befehl lautete, “Bereitschaft herstellen”, aber niemeand wusste wirklich, wofür! Stundenlanges Warten folgte.Ich erinnere mich gut daran, wie sofort auch die üblichen Kontrollen einsetzten und Major A. aus der AgpA mich umgehend kritisierte, wieso ich auf meinem Dienstzimmer war und nicht die Zeit zur Agitation nutzte. Wofür oder wogegen, war allerdings auch ihm unklar. Nun ja, irgendwann kehrte auch er auf seinDienstzimmer zurück ... Neujahr war es dann klar, es ging in die Kohle.Nun begann es hektisch zu werden, der Kompanierural wurde entladen, im Stundentaktt die Stärke festgestellt, Ausrüstung vorbereitet. In Kolonne mitzukommandierten LKW ging es dann los, endlich. Ziel war Zwenkau, Unterbringungsort eine Turnhalle. Als wir am späten Nachmittag ankamen, verließ dieTagschicht der Belegschaft der Brikettfabrik gerade den Betrieb. Wurden wir überhaupt gebraucht, war es überhaupt so schlimm? War es, denn durchmittlweile bittere Kälte waren ganze Teile der Produktionsanlagen förmlich eingefroren.Noch am Abend gab es Einsatzgespräche mit der Betriebsleitung, Trupps wurden zusammengestellt und bereits am Folgetag ging es los. An eine Aufgabekann ich mich besonders erinnern. In einer Anlage zur Teerherstellung war das Teer aufgrund der Produktionsunterbrechung in einem Teerkanal festgeworden. Also krochen Soldaten mit Schutzanzug in den schmalen Teerkanal, entfernten die gefrorenen Teermassen, andere lösten die gefroreneBraunkohle. So gelang es unter extremen persönlichen Einsatz unserer Soldaten, den Produktionsprozess hier wie auch an anderen Einsatzorten wiederaufzunehmen. Dier Sicherstellung der Verpflegung, die Organisation des Einsatzes im 3-Schichtsystem, der Transport der Armeeangehörigen, die
Aufrecherhaltung der Ordnung in der Turhalle (100 Mann) und die täglicheStärkemeldung in das MSR-16 bestimmten den Tages- und Nachtablauf des HfW undmir. Da ich kein Fahrzeug hatte, um unsere Genossen an den Arbeitsplätzen zubesuchen, war ich oft an die Turnhalle gefesselt, wusste ich ausgerechnet als StKPAnicht, was wer wo leistete, aber um so besser, worauf es bei den Kontrollen der Ordung durch die Mitarbeiter des Stabes ankam. Aber wenn die Trupps von ihrenanstrengenden Schichten zurückkamen, schlug meine große Stunde: Agitieren, denWettbewerb organiseren! Eine seltene Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit und Akzeptanzder Politarbeiter so zu erschüttern..... Aber dafür gab es Deputat an Zgaretten undSchokolade aus der “Kriegsreserve”.Heute, 40 Jahre erinnere ich mich mit Respekt und Anerkennung an die Leistungenunserer Armeeangehörigen und auch der Werktätigen, welche unter schwierigenBedingungen und mit zum Teil alles andere als modernen Produktionsanlagen ihrenBeitrag zur Sicherung der Energieversorgung leisteten.